» Ein Rathhaus gehört zum Hausrath
       einer Stadt. «

» Das Paradies verlieren
und den Paradiesvogel behalten. «

» Man kommt leichter zu jedem
     andern als zu sich. «

» Die größten Städte und Genies
sind unregelmäßig gebauet,
voll Sackgassen und Paläste. «

» Bei Gott, alle Welt spricht,
und niemand kommt zu Wort. «

» Entwirf beim Wein,
         exekutiere beim Kaffee. «

» Ein Kind sei euch heiliger als die
   Gegenwart, die aus Sachen
     und Erwachsenen besteht. «

     » Manches »Gesuchte« wäre es nicht,
        wenn der Verfasser mehr suchte. «

» Weiber sprechen lieber von,
          Männer in der Liebe. «

» Nichts ist fataler, als wenn gerade
die letzte Flasche altes Bier schlecht ist. «

» Eine Blattlaus hat mehr Ahnen
   als ein Elephant. «

» Unter Denken eines bösen Gedankens
     auf der Gasse ehrerbietig gegrüßt werden. «

» Jeden Tag
     mache dich auf viele Wunder gefaßt. «

» Er ist ein besonderer Freund
       – von Feinden. «

» Ich merke Namen so wenig,
daß ich oft vor dem Spiegel frage,
wie heißt der darin? «

» Was alles Böses gegen das Bier
     bei Philosophen gesagt wird,
         gilt nicht bei mir. «

» Die Tat ist die Zunge des Herzens.«

» Bücher sind nur dickere Briefe an Freunde. «

» Man verdirbt unter Leuten,
die einen nicht übertreffen. «

» Die Bücher sind die
        stehende Armee der Freiheit. «

» Hätte ich keine Bücher zu schreiben: ich wäre der beste Ehemann. «

     » Die Poesie ist die Aussicht
aus dem Krankenzimmer des Lebens. «

» Eine Demokratie ohne ein paar hundert Widersprechkünstler ist undenkbar. «

» Die Blumen schlafen,
         aber nicht das Gras. «

» Auf der Welt ist alles natürlich,
       ausgenommen die Welt selber. «

» Niemand hat weniger Ehrgefühl
      als eine Regierung. «

Endlichkeit und Unsterblichkeit - Schritte (3)

 

von Prof. Dr. Ortwin Beisbart

 

Schrittfolge_vollständig

Texte_vollständig

Zur Textübersicht

Literatur

 

2/8 Andere Wege des Nachdenkens
Das Thema hat notwendigerweise die Menschen schon immer beschäftigt.
Die Philosophen der Aufklärung und besonders wiederum deren Kritiker und Vollender Im-manuel Kant, die alle Jean Paul gelesen hatte, haben die Grenzen der menschlichen Erkennt-nismöglichkeiten deutlich aufgezeigt. Man nennt nicht zufällig diese Zeit die „Aufklärung“ – „über die Grenzen der bloßen Vernunft“. Geprägt von einer Beschränkung auf das Sichtbare,  auf das mit wissenschaftlich-empirischen Mitteln Erfassbare neigt sie dazu, weitere Welten, Hölle und Himmel jenseits der irdischen, zu bestreiten.
Die Bibel, besonders das Neue Testament, verheißt hingegen mit unterschiedlichen Worten eine Auferstehung am Ende der Zeit. Nur allein Jesus der Christus, der tot war, sei schon vor-ausgegangen.
Die christliche Theologie und die Lehre und Verkündigung der Kirche haben über viele Jahrhunderte jedoch mit der Deutung, dass die Ursache des Todes in der Sündhaftigkeit des Menschen liege, nicht nur Bilder über den Ort der Gestorbenen entwickelt (Hölle und Fege-feuer), sondern auch über den Zeitpunkt der Auferstehung und des vorausgehenden „Jüng-sten, d.h. letzten Gerichts“ nachgedacht.
Sowohl die philosophischen Zeitgenossen als auch viele christliche Prediger haben den Schwerpunkt ihrer Antworten oft auf die Frage gelegt: Welche moralischen Folgen für das Verhalten der lebenden Menschen sollen aus der Tatsache des Todes gezogen werden? Im besten Fall in der Hoffnung, auch für ein Leben in einer anderen Welt nichts falsch gemacht zu haben – und auf die von Christus geschenkte Vergebung zu hoffen.

Sie sollten in Ihrem Nachdenken nun den Blick noch erweitern. Sie finden hier Auswahlmöglichkeiten. Wählen Sie aus, was Sie interessiert.

Welche Vorstellungen von Hinterbliebenen finden sich in Todesanzeigen? Text 10
Was sagt die christliche Überlieferung? Verse aus Gesangbuchliedern Text 11
Totentanzdarstellungen des Mittelalters Text 15
Was sagen Theologen?   
->Text 12 (Evangelischer Erwachsenenkatechismus)
->Text 32 (Johann Baptist Metz), (auf weitere moderne Texte wird am Schluss dieser Dateien verwiesen)
Was hat Jean Paul bei Wissenschaftlern vom Menschen aus seiner Zeit gefunden? Texte 2326
Lyriker zum Thema Auferstehung / Unsterblichkeit (auf Gedichte der lyrischen Tradition und der Moderne wird am Schluss verwiesen))

Sie können aber auch ohne solche Vorbereitung gleich zu den beiden schon genannten Erzählungen Jean Pauls mit vielen nachdenklichen Gesprächen der Figuren springen:
Das Kampaner Tal oder über die Unsterblichkeit der Seele, nebst einer Erklärung der Holz-schnitte unter den 10 Geboten des Katechismus Texte 13, 16, 17, 18
und Selina oder über die Unsterblichkeit der Seele Texte 25, 26, 27, 28, 29


E2/9 Die poetische Antwort Jean Pauls – erzählend und reflektierend
Wir haben bereits gesehen, dass Jean Paul sich nicht damit begnügt, ein kleines Leben einfach zu leben und weder nach rückwärts noch nach vorwärts, weder nach unten – in eine Hölle? – noch nach oben – in einen Himmel? – zu blicken.
Vielfältig sind bei ihm Sätze zu finden wie die folgenden:

„So besitzt man neben dieser wüsten schmutzigen Welt die schönste Bei- und Nachwelt, ein Dessertservice von Belang, einen Vorhimmel zwischen Vorhöllen.“ (4,569)

In seiner theoretischen Schrift Vorschule der Ästhetik heißt es, mit einer etwas anderen Färbung:

„Der Mensch wohnt hier auf einer Geisterinsel, nichts ist leblos und unbedeutend, Stimmen ohne Gestalten, Gestalten, welche schweigen, gehören vielleicht zusammen, und wir sollen ahnen; denn alles zeigt über die Geisterinsel hinüber, in ein fremdes Meer hinaus.“

Und dazu stellt er sein Kampanertal vor – ein erdichtetes Tal, für das es dennoch ein Vorbild, Campan am Adour in den Pyrenäen, gibt, über das sich der Autor mithilfe von Reisebeschrei-bungen kundig gemacht hatte –, „weil ich keines weiß, worin ich lieber aufwachen oder sterben oder lieben möchte als eben darin…“ (4,569)

„Die Probe eines Genusses ist seine Erinnerung – nur die Paradiese der Phantasie werden willig Phantasie und werden nie verloren, sondern stets erobert – nur die Dichtkunst söhnet die Vergangenheit mit der Zukunft aus und ist die Leier Orpheus’, die diesen zwei zermalmenden Felsen zu stocken befiehlt.“ (4,570)

Vom  Sänger und Lyraspieler Orpheus, einer Figur der griechischen Sage, wird erzählt, dass bei seinem Gesang die Bäume sich neigten, die wilden Tiere sich friedlich zusammen setzten und sogar die  zermalmenden Felsen-klippen am Bosporus sich nicht bewegten, so dass Schiffe hindurchfahren konnten. Orpheus galt in der Antike als das Symbol der Unsterblichkeit der Seele – in der frühen Christenheit als eine Präfiguration Christi, von Augustinus wird er als theologischer Dichter bezeichnet.

Er will zeigen, dass nur die Poesie, oder die Erzählung von Menschen, deren Fühlen, Denken und Lieben, in der Lage ist, nicht nur eine solche Welt, Neben-, Bei- oder Nachwelt zu (er)finden, sondern damit den Menschen in einen größeren Erfahrungsraum, ja in einen Sinn-raum, zu stellen: Sinn aber ist immer eine Frucht von Hoffnung.

 

E2/10 Die Vorstellung des Personals im Kampanertal
Es ist keine Fantasy-Welt, sondern es ist eine, wie er sagt, „aus der alten Welt destillierte zweite Welt“, eine Welt der Erinnerung und eine Welt, die eine Zukunft hat, die auch die Vergangenheit mit der Gegenwart verbindet. Und hier leben Menschen zusammen.
Es schreibt nun der Erzähler Jean Paul (oft nur J.P oder „Ich“ genannt) – den wir dennoch nicht mit dem Autor verwechseln dürfen – seinem Freund Viktor aus dem idyllischen Kam-panertal eine Reihe von Briefen. Er berichtet von den gemeinsamen Erlebnissen und von sei-nen Gesprächen auf der Wanderung durch das Tal mit den Freunden und Freundinnen, der kleinen Reisegesellschaft: Es handelt sich um
Karlson, ein „Titular-Rittmeister“,
Jean Paul (J.P.), sein Freund, Ich-Erzähler als Briefschreiber (an den abwesenden Victor) Text 13
zwei Schwestern, Gione und Nadine,
der Freund Wilhelmi, der Gione heiraten wird, sowie der Hauskaplan, auch Phylax (Wäch-ter) genannt, der die Trauungszeremonie vollzieht.
In Text 14 ist die Reisegesellschaft etwas näher charakterisiert.

E2/11 Todesklage und Totentanz
In manchem erinnern die Gedanken, die Karlson aufschreibt, auch an (meist bildliche und mit Versen versehene) Darstellungen aus dem Mittelalter, in denen die „vanitas“, die Nichtigkeit des menschlichen Lebens dargestellt wird, z.B. in einem Totentanz, wo der Tod als zum Tanz aufforderndes Gerippe Menschen aller Stände, ob reich oder arm, mächtig oder machtlos ge-genübertritt. Solche Darstellungen hatten sichtbar vorrangig eine moralische Funktion und dienten als Warnung vor Sünde und Verdammnis. Text 15

E2/12 Die Wirkung der Trostlosigkeit
Der Dichter Jean Paul wurde konkret angeregt von seinem Freund, dem Theologen und Philo-sophen Friedrich Heinrich Jacobi, durch „Aus¬malung der Vernichtung“ sich und die Leser aus eben dieser Trostlosigkeit herauszureißen. Sie soll als Mittel gegen die Angst und den Schmerz wirken. Das zeigt der Briefschreiber, wenn er die Wirkung auf sich selbst beschreibt. Text 16

Diese Klage und ihre Wirkungen sind das eine in der Erzählung.
Ein zweites ist die Erzählung selbst, in der die Beteiligten sich auf ausführliche Diskussionen einlassen. Doch die eher entspannte Atmosphäre hat eine Bedingung:

„Der Baron schrieb ihm [Karlson] zurück: er habe sein schönes Trauergedicht der Verstorbe-nen oder Unsterblichen – vorgelesen: bloß eine lange Ohnmacht hatte den schmerzlichen Irr-tum erzeugt.“ (4,574)
Ist damit schon alles gelöst, verklärt, aufgehoben – der Tod war nur scheinbar? Sicher nicht.
Doch damit ist das lange Gespräch, das nicht in einem geschlossenen Raum, sondern auf der Wanderung in freier Natur stattfindet, eröffnet.

weiter

zurück

 

back_service.jpg


Jean Paul 2013 e.V.
Wahnfriedstraße 1
95444 Bayreuth

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!